1904
wurde Hugo Ewringmann zum Stadtoberhaupt der Kreisstadt Warendorf
gewählt, die damals ca. 7000 Einwohner zählte. Mit seiner Ehefrau Selma
und seinen 8 Kindern wohnte er im Bürgermeisterhaus am Wilhelmsplatz Nr.
8.
Die Amtseinführung, der ein Festgottesdienst in der
Laurentiuskirche voraus-ging, wurde im Rathaus am Marktplatz feierlich
begangen. Bürgermeister Ewringmann fand in seinem Amt vier
Verwaltungsbeamte vor, außerdem zwei Polizeibeamte und zwei
Nachtwächter. So ist es zu verstehen, dass eine Vielzahl von Aufgaben
vom Bürgermeister selbst erledigt werden musste.
1924, am Ende seiner Amtszeit, beschäftigte die Stadt 19 Beamte und Angestellte und 2 Polizeibeamte.
Die ersten zehn Amtsjahre des neuen Bürgermeisters waren
geprägt von Veränderung und Modernisierung. Die Errungenschaften der
modernen Zeit erreichten nun auch das kleine Landstädtchen Warendorf.
Bald nach Amtsbeginn richtete Bürgermeister Ewringmann ein Steuerbüro ein. 1906 installierte er ein Bauamt mit Stadtbaumeister Beckmann an der Spitze.
Rathaus, "Vaters Amtssitz" |
1907 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die
Anlage von Wasserleitungen. Vor dem Osttor, in der Nähe von Haus Werl,
wurde ein Wasserwerk gebaut mit einem repräsentativen Wasserturm, der
noch heute ein Wahrzeichen unserer Stadt ist. Die Zeit der Hausbrunnen
und Handpumpen war nun endgültig vorbei. Die zentrale Wasserversorgung
erhöhte den Lebensstandard der Bevölkerung entscheidend, zumal ab 1908
die offenen Abwassergräben nach und nach durch ein unterirdisches
Kanalisationssystem ersetzt wurden. Es dauerte aber bis in die 1930er
Jahre, ehe die ganze Stadt ans Kanalnetz angeschlossen wurde.
Im gleichen Jahr kaufte die Stadt für 90 000 Mark die
„Warendorfer Gasgesellschaft“. Nun konnten alle Haushalte einen
Gasanschluss bekommen und die Straßen der Stadt wurden durch Gaslaternen
beleuchtet.
Wasserturm an der B64 | Warendorfer Gasanstalt |
Auch die Versorgung der Stadt mit elektrischem Strom
fiel in die Amtszeit von Bürgermeister Ewringmann. Seit 1906 bestand
schon eine private, von einem Generator betriebene Stromversorgung, die
Teile der Stadt mit Strom versorgte. Ab 1917 lieferten auch die
Westfälischen Elektrizitätswerke Strom. Da dieser Strom sehr teuer war,
entschlossen sich die Stadtväter 1920 zum Bau eines Wasserkraftwerkes an
der Ems. Ab 1924 konnten alle Häuser mit Strom versorgt werden und die
Gasbeleuchtung an den Straßen wurde durch elektrisches Licht ersetzt.
Das städtische E-Werk deckte etwa 80% des Strombedarfs ab.
Das Warendorfer Elektrizitätswerk (links) am Mühlenkolk |
All diese Neuerungen brachten erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich. Wie gut, dass sich Bürgermeister Ewringmann schon 1908 dazu entschlossen hatte, eine Schreibmaschine anzuschaffen, die ein Friseur gegen ein Entgelt von 80 Mark im Monat bediente.
Die im Rathaus untergebrachte Stadtsparkasse gehörte auch zum
Verantwortungsbereich des Bürgermeisters. Der Rendant war üblicherweise
ein Mitglied des Stadtverordnetenkollegiums.
Auch die Aufsicht über die Volksschulen oblag dem
Bürgermeister. Er sorgte für die Ausstattung der Schulen und fühlte sich
sogar für die pädagogische Arbeit verantwortlich. Als ihm z.B. zu Ohren
kam, dass ein Lehrer seine Schüler in übertriebenem Maße mit dem
Rohrstock züchtigte, bestellte er den Lehrer „aufs Amt“ zu einer
ernsthaften Unterredung. Die Schüler haben es ihm sehr gedankt.
Die Höhere Mädchenbildung war ihm ein wichtiges Anliegen. Für
seine sechs Söhne und all die Jungen der Stadt und des Umlandes bot das
Gymnasium Laurentianum eine gute gymnasiale Schulbildung. Auch die
Mädchen sollten die Möglichkeit zu einer Höheren Schulbildung bekommen.
1906 gehörte Bürgermeister Ewringmann zu den
Gründungsmitgliedern des Schulvereins und war Mitglied des ersten
Vorstandes dieses „Vereins zur Hebung der Mädchenbildung“. Nach Kräften
unterstützte die Stadt die neue Marienschule und stellte ihr 1908 das
Gebäude an der Lilienstrasse zur Verfügung. 1923 war der Verein nicht
mehr in der Lage, die Schule zu finanzieren. Die Stadt übernahm die
Schule mit allen finanziellen Lasten.
Im gleichen Jahr fasste die Stadtverordnetenversammlung den
Beschluss zur Einrichtung einer Aufbauschule, die dem Gymnasium
Laurentianum angegliedert wurde. Diese Bildungseinrichtung wurde
besonders vom Mittelstand und von der Landbevölkerung begrüßt. Mehr als
ein Viertel aller Gelder des städtischen Haushaltes flossen in die
Unterhaltung der Schulen.
Hugo und Selma Ewringmann | Die 8 Kinder der Familie Ewringmann |
Arbeiterhäuschen in Levens Gässchen |
Die Armenfürsorge lag Bürgermeister Ewringmann besonders am Herzen. 1907
gründete er mit Pfarrer Strumann zusammen den gemeinnützigen Bauverein,
der seine Aufgabe darin sah, materiell schwächer gestellten Familien,
meistens Familien mit vielen Kindern, zu einem eigenen Haus zu
verhelfen. Damit wurde die Not der vielen Wohnungssuchenden etwas
abgemildert. Vor 1914 konnten mit dieser Hilfe jährlich ca. 20
Arbeiter-häuser errichtet werden. Mit dem ersten Weltkrieg trat leider
eine Stagnation ein. Die oft feuchten Mietwohnungen und die schlechte
Versorgungslage der Kriegs- und Nachkriegsjahre waren eine ernsthafte
Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung. Tuberkulose und
Unterernährung waren weit verbreitet.
1923 vernichtete die Inflation alle Sparguthaben. Der
Wohnungsbau kam vollkommen zum Erliegen. Auch die Wohnungs-kommission
unter Vorsitz des Bürgermeisters konnte nur den Mangel verwalten. In diesen schweren Jahren machte Bürgermeister
Ewringmann große Anstrengungen, den Armen, den Kriegerwitwen und Waisen
und den Obdachlosen zu helfen. Die Stadt unterhielt Notwohnungen, wie
z.B. den „Langen Jammer“ am Wilhelmsplatz.
Ein Lichtblick war es, wenn der wohlhabende Amsterdamer
Goldschmied Heinrich Miele seine Heimatstadt Warendorf besuchte,
denn er überreichte dann dem Bürgermeister in alter Verbundenheit eine
ansehnliche Geldsumme. Es war die Aufgabe der Frau des Bürgermeisters,
das Geld gerecht in Umschläge zu verteilen und es diskret nach Einbruch
der Dunkelheit den Ärmsten der Armen zu bringen.
Auch an moralischer Unterstützung ließ Bürgermeister Ewringmann
es nicht fehlen. Viele arme Leute hielten sich damals eine Ziege, die
„Kuh des kleinen Mannes“. Ewringmann gehörte dem Vorstand des
„Ziegenzucht-Vereins“ an. Er sorgte dafür, dass zur jährlichen
Hauptversammlung der Ziegenbaron „Dr. Meck Meck“, Professor Landois aus
Münster höchstpersönlich nach Warendorf kam. Die Hippenbesitzer konnten
dem leutseligen und großzügigen Professor Landois, der ein Herz für in
Not geratene arme Leute hatte, ihre Sorgen und Wünsche anvertrauen. Er
half, wo er konnte und wurde verehrt und geliebt.
Einmal im Jahr wurde auch die hohe Geistlichkeit eingeladen. Die
Pastöre von der Alten und der Neuen Pfarre und der Guardian des
Franziskanerklosters in Begleitung von zwei Patres kamen zu einem
Tässchen Kaffee und einer besonders gute Flasche Wein. Dazu bot der
Bürgermeister die Brasil Zigarren mit der Bauchbinde aus der
Sonntags-Zigarrenkiste an. Der Besuch sollte das gute Verhältnis von
Staat und Kirche pflegen.
Auch zur bürgerlichen Oberschicht der Stadt hielt
der Bürgermeister engen Kontakt. Nach Dienstschluss ging er gern zum
Gläschen Bier in das klassizistische Gebäude der Gesellschaft Harmonie
und spielte eine Partie Billard mit dem Fabrikanten Brinkhaus, dem
Gymnasialdirektor Egen und dem Postdirektor. Natürlich nahm er mit der
Frau Bürgermeister am Drei-Königs-Ball teil, dem gesellschaftlichen
Ereignis des Jahres im Club Harmonie.
Das Hochfest des Jahres war schon damals das Fest
Mariä-Himmelfahrt. Es war selbstverständlich, dass Bürgermeister
Ewringmann mit Landrat Gerbaulet und allen 29 Stadtvätern bei der
Prozession hinter dem Allerheiligsten gingen, alle im Gehrock mit
Zylinder und weißen Handschuhen.
Schützenfest in Warendorf
Nach der kirchlichen Feier wurde auf dem Wilhelmsplatz die große
Kirmes eröffnet. Am Vorabend hatte sich der Bürgermeister den
Polizeihaupt-wachtmeister Milz kommen lassen und kontrollierte mit ihm
die Sauberkeit der Schieß- und Losbuden und der
Tingel-Tangel-Karussells. Da hingen nämlich oft Bilder von spärlich
bekleideten Damen. Diese Bilder mussten sofort mit „Tüll“ behängt
werden, was die Budenbesitzer auch taten. Aber nach einer Stunde hieß
es: „Weg mit dem Tüll!“ und das Kirmesvergnügen nahm seinen Lauf.
20 Jahre lang war Hugo Ewringmann Bürgermeister der Stadt
Warendorf. Die Grenzen zwischen privater und öffentlicher Tätigkeit
waren fließend. Ein Bürgermeister war immer im Dienst und immer
Ansprechpartner für die Bevölkerung.
Nach 12 Jahren war er wiedergewählt worden, das zeigte die
Zufriedenheit der Bürger mit seiner Arbeit. 1924 gab Bürgermeister
Ewringmann sein Amt aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig auf.
Quellen:
„Meine Jugenderinnerungen an Warendorf “ von Hanni Ewringmann
Erzählungen von Zeitzeugen aus der Familie Göcke und Haunhorst
Geschichte der Stadt Warendorf
Bilder: Bildarchiv der Altstadtfreunde und Hanni Ewringmann
Autorin: Mechtild Wolff